Wie jedes Jahr fand die weltweit größte Messe für die digitalen Wirtschaft (“Digiconomy”), die dmexco Köln 2016 in der Rheinmetropole statt. Mehr Aussteller (110), mehr Redner, und vor allem mehr Besucher (50,700) als je zuvor tummelten sich dichtgedrängt in den Kölner Messehallen an zwei sonnigen Tagen im September, um einen Blick auf die Zukunft des Online-Handels und der digitalen Werbung zu werfen.
Wer ist der “Biggest Brother”?
Die Jagd auf den Kunden ist offiziell eröffnet. Jetzt heisst es: Suchverhalten beobachten, Muster erkennen, Daten verknüpfen, analysieren und manipulieren. Immer dran bleiben am Kunden. Man könnte meinen, das Internet entwickele sich von seinen Anfängen als akademischer Austausch immer mehr zu einer gigantischen Konsumentenfalle. Oder ist diese Entwicklung schon längst abgeschlossen? Dienen selbst clevere Inhalte nur dazu, ahnungslose Nutzer zu ködern und Kaufbedürfnisse zu wecken? Der gewonnene Kunde bzw. die erlegte Beute heisst heute R.O.I. (Return on investment). Das Interesse an dem Thema ist auch dieses Jahr in Köln ungebrochen.
Firmen, die bei dieser Entwicklung weiterhelfen, gab es auf der Messe zuhauf . Sorglos präsentierten sie ihre Produkte, die vor wenigen Jahren noch als “Big Brother” Szenarien für Empörung gesorgt hätten. Auch der Datenschutz scheint immer mehr aus der Mode zu kommen.
Aber was hilft es, sich zu beklagen. Schliesslich ist die dmexco eine Messe für digitales Marketing und keine kulturelle Veranstaltung.
Influencing the influencer
A propos Kultur: Jetzt wird auch der “authentische” Kern des Internets ab sofort zur Vermarktung freigegeben. YouTube-Influencer stehen zunehmend auf der Einkaufsliste von Unternehmen und jeder kann mitbieten. Das Geschäftsmodell von Firmen wie HitchOn oder Tubevertise ist es, zahlende Unternehmen und “Social Influencer” (d.h. in der Regel YouTube Stars) zusammenzubringen. Also Kohle für gute Bewertung. Das nagt nicht nur an der Glaubwürdigkeit, sondern auch an der Zukunft dieser Zunft. Der Gospel der Authentizität der YouTube Stars wird gesungen sein, wenn das System Schule macht.
Programmatic Advertising
Sind Algorithmen die besseren Marketing Experten? So sieht es jedenfalls der Trend von Programmatic Advertising. Das bedeutet, dass Programme über die Platzierung von Werbung entscheiden. Und sie kaufen auch gleich den benötigten Werbe-Platz ein. Ohne den Zwischenhändler und vollkommen automatisch. Wer sich dafür interessiert, sollte bei Mint Square oder Captify vorbeischauen. Der Trend wird bei manchen als die Zukunft von digitalem Marketing gehandelt. Ob auf Menschen gänzlich verzichtet werden kann ist unwahrscheinlich. Aber an Bedeutung gewinnen wird Programmatic Advertising auf jeden Fall.
Startup Village
Dieses Jahr gab es zum ersten Mal ein Startup Village. In einem umzäunten Bereich waren 75 Startups vertreten und präsentierten sich an kleinen runden Tischen. Das Problem war, herauszufinden, was jedes Startup macht. Nirgendwo gab es Information über das jeweilige Team. Interessierte mussten von Tisch zu Tisch gehen und die Personen ansprechen. Angesichts der Fülle der Aussteller und der Größe der Messe bezweifele ich, dass sich genug Leute dafür Zeit genommen haben. Man hätte zumindest die Startups in Themenbereiche gruppieren können, wie z.B. Share Economy oder Fintech. Das ist auf Messen wie z.B dem WebSummit übersichtlicher und professioneller geregelt.
Der Gemeinschaftsstand des Landes Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit der Digitalen Wirtschaft NRW (DWNRW) war in dieser Hinsicht besser organisiert. Er präsentierte auf seinem Stand 10 Startups neben deren jeweiligen Profilen auf großen Schildern. Das wäre ein Konzept, dass sich die Verantwortlichen der Messe fürs nächste Jahr merken sollte.
Tipp: Da es ab jetzt schon Spekulatius, Printen und Stollen im Supermarkt gibt, warum nicht gleich auch einen Weihnachtsbaum bestellen? Gibt es beim Weihnachtsbaumland, ebenfalls präsentiert am NRW-Stand.